Was ist Ju-Jutsu?

Geschichte des Ju-Jutsus

Als Wiege aller asiatischer Kampfkünste wird Indien betrachtet. Aus dieser Region hat sich das Wissen um die Verteidigung ohne Waffen in ganz Südostasien verbreitet. In Japan entwickelten sich auch durch das Auftauchen der Samurai verschiedene Kampfsysteme, aus denen letztlich das Jiu-Jitsu hervorging.

Das Jiu-Jitsu brachte Erich Rahn nach Deutschland. Er eröffnete 1906 die erste Jiu-Jitsu-Schule in Deutschland. Durch seine Schüler verbreitete sich der Sport. Bis 1930 gab es bereits 100 Vereine in Deutschland.

In den 1960er Jahren hatten sich Jiu-Jitsu sowie die populären Kampfsportarten Karate und Judo stark in die Richtung Wettkampf entwickelt, was dazu führte, dass sich einige Dan-Träger mit der Entwicklung eines auf Effektivität angelegten Selbstverteidigungssystems beschäftigten. Aus verschiedenen Kampfsystemen (vornehmlich Jiu-Jitsu, Aikido für Hebel/Würfe, Karate für Tritte/Schläge und Judo für Würfe/Fallschule/Bodentechniken) wurden die wirkungsvollsten Techniken vereint und unter dem Namen Ju-Jutsu verbreitet. 1969 wurde das System in Deutschland eingeführt.

Prinzipien des Ju-Jutsus

Ju-Jutsu bedeutet übersetzt »die sanfte Kunst«, was schon viel über eine grundlegende  Methodik des Kampfsystems aussagt. Der Ju-Jutsuka versucht soweit möglich die Kraft des Angreifers aufzunehmen und sie gegen ihn zu verwenden. Dabei geht man im Ju-Jutsu primär von einer Verteidigungssituation aus. Im Vergleich zu vielen anderen Kampfsportarten gilt außerdem das Credo der Verhältnismäßigkeit: Der Angreifer wird nicht mit maximaler Gewalt (mit eventuell tödlichen Folgen) angegangen, sondern es wird versucht nur den Grad an Gewalt auszuüben, der notwendig ist, um eine gefährliche Situation zu beenden. Das umfangreiche Repertoire eines Ju-Jutsukas reicht dabei von Schlag- und Tritttechniken (Atemis) über Körperwürfe, Griff- und Hebeltechniken bis hin zu verschiedenen Sicherungs- und Abführtechniken. Die große Vielfalt an Techniken macht Ju-Jutsu zu einem universalen Kampfsystem, dass für jede Situation eine entsprechende Antwort parat hat.

Dabei entwickelt sich Ju-Jutsu immer kontinuierlich weiter und lässt Einflüsse aus anderen Kampfsportsystemen explizit zu. Dabei ist man auch nicht mehr – wie bis zum Jahr 2000 – auf japanische Kampfsportarten beschränkt: auch aus dem Thaiboxen, dem Ringen und den philippinischen und chinesischen Kampfsportarten wurden bereits Techniken ins Ju-Jutsu übernommen.

Im Ju-Jutsu schult man sich aber nicht nur für den unbewaffneten Kampf. Die Abwehr von Messern und Stockwaffen sind ebenfalls wichtige Bestandteile des Systems. Wie wirkungsvoll diese Ansätze sind, lässt sich daran sehen, dass Ju-Jutsu sogar für die Ausbildung von Polizisten und Sicherheitskräften Anwendung findet.

Breitensport und Wettkampf

Die Gründe um Ju-Jutsu zu trainieren können ganz unterschiedlich sein: Sich im Alltag behaupten zu können, das Wissen gefährliche Situationen besser einschätzen zu können, Verhaltensmuster und Bewegungsabläufe zur Selbstverteidigung an der Hand zu haben sind dabei wohl zuerst zu nennen. Körperliche Fitness und Spaß an der Bewegung sind aber sicherlich ebenso wichtige Aspekte für die Beschäftigung mit Ju-Jutsu im Bereich des Breitensports.

Darüberhinaus gibt es im Ju-Jutsu aber auch die Möglichkeit an Wettkämpfen teilzunehmen. Fighting-Wettkämpfe werden in Schutzausrüstung und im Leichtkontakt ausgetragen und laufen über drei Phasen:

Part 1: Atemitechniken
Part 2: Greifen und Werfen
Part 3: Bodenkampf

Sobald in Phase 2 gegriffen wurde, darf nicht mehr mit Atemis geschlagen werden.

Abweichungen von diesem verbreitetsten Wettkampfsystem sind in letzter Zeit aber auch zu beobachten. So finden z.B. seit einiger Zeit auch reine Bodenkampfturniere – die Ihren Ursprung im Brazilian Jiu-Jitsu haben – statt.

Eine weitere Spielart des Wettkampfes sind Duo-Wettbewerbe. Diese showlastige Variante des Ju-Jutsu erfordert ein eingespieltes Zweier-Team, das sich in vorher einstudierten Verteidigungs-Situationen dem Punkterichter und den Zuschauern präsentiert. Die dort gezeigten Techniken zeichnen sich oft durch spektakuläre Optik, große Präzision und hohe Geschwindigkeit aus – wichtig ist natürlich aber immer, dass der Partner dabei unverletzt bleibt.

Darüber hinaus gibt es auch noch Kata-Wettbewerbe: Hier werden vorher einstudierte Abfolgen von Technikchoreographien vorgeführt. Bewertet werden dabei hohe Präzision und perfektes Timing.

Noch recht neu sind die Bestrebungen im Deutschen Ju-Jutsu-Verband, das Allkampf-Wettkampfsystem wieder aufleben zu lassen. Diese früher gängige Wettbewerbsform des Ju-Jutsu ist realitätsnäher – auch weil hier im Vollkontakt gekämpft wird. Es gibt im Vergleich zum Fighting-Wettkampf auch mehr Freiheiten: Lowkicks, Ellenbogen- und Kniestöße zum Körper sind ausdrücklich erlaubt. Genauso wie Atemitechniken in der Bodenlage oder im Stand, nachdem bereits gefasst wurde.

Etikette

Für ein respektvolles Miteinander

Höflichkeit, Demut und Respekt sind die Grundlage der Etikette und werden durch den Gruß (Rei) symbolisiert. Die Etikette ist im Ju-Jutsu nicht nur eine äußere Form, sondern eine innere Haltung und damit schließlich der Weg zur inneren Ruhe und Ausgeglichenheit. Die Werte des Budo und damit des Ju-Jutsu liegen neben dem Erlernen einer Vielzahl von Techniken auch in der strengen Etikette dieser Sportart begründet. Nur wenn Technik und Grundsätze der Etikette von der Gemeinschaft eines Dojos mit Leben erfüllt werden, können die Schüler des Ju-Jutsu den eigentlichen und wahren Wert des Budo erkennen.

Es ist die Aufgabe und Pflicht, im besonderen der hohen Danträger, dafür zu sorgen, dass auch in einem der heutigen Zeit angepassten, modernen Ju-Jutsu der wertvolle Geist des traditionellen Budo erhalten bleibt.

Kleiderordnung

  • Der Ju-Jutsuka trägt einen sauberen Anzug (Gi).

  • Bei Prüfungen wird stets ein weißer Gi getragen.

  • Mädchen und Frauen tragen ein T-Shirt, ein Sporttop oder ähnliches unter dem Gi.

  • Während einer Prüfung tragen Männer kein T-Shirt oder ähnliches unter der Gi-Jacke. Im Training ist dies in Ordnung.

  • Auf Lehrgängen und im Wettkampf ist auch ein blauer Gi möglich.

  • Im Training ist ein weißer, schwarzer und blauer Gi erlaubt. Andere Gi-Farben für den Trainingsbetrieb sind vorher mit den Verantwortlichen abzustimmen. In unserem Verein sind alle Farben erlaubt.

  • Der Gürtel ist korrekt gebunden und die Farbe entspricht dem Stand der abgelegten Prüfung.

Körperhygiene

  • Ein Ju-Jutsuka ist stets gepflegt. Beim Ju-Jutsu sind wir nah am Körper des anderen – gegebenenfalls ist auch mal ein Duschen vor dem Training in Betracht zu ziehen.

  • Du hast geschnittene Zehen- und Fingernägel, damit du deinen Partner nicht verletzt.

  • Schmuck, Uhren etc. dürfen im Training nicht getragen werden. Nicht abnehmbarer Schmuck ist mit Tape abzudecken (Verletzungsrisiko!).

  • Ein Ju-Jutsuka trägt außerhalb der Matte oder des Dojo aus Hygienegründen immer Schuhe (Zoris, Sandalen, Badeschuhe oder Tabis).

Pünktlichkeit

Wir erwarten, dass die Trainingsteilnehmer pünktlich zum Training erscheinen. Rechne dir auch die Zeit zum Umziehen mit ein, damit du rechtzeitig fertig bist, wenn es los geht.

Betreten des Dojo oder der Matte

  • Die Schuhe werden mit der Ferse zur Matte abgestellt.

  • Die Matten werden nie mit Schuhen betreten.

  • Vor dem Betreten der Matte oder des Dojo verneigt man sich wobei der Blick zum Boden abgesenkt wird: hierdurch drückt man dem Ort des Lernens Respekt aus und ordnet sich den Regeln und der Etikette des Dojo unter. Alle Gedanken und Probleme des Alltags bleiben zurück.

  • Die Matte wird zuerst mit dem linken Fuß betreten (Achtsamkeit).

Angrüßen vor und nach dem Training

  • Aufstellung: Aus Sicht des Lehrers stehen die hohen Graduierungen links, die niedrigen rechts, unterstützende Lehrer stehen links vom Hauptlehrer.

  • Seiza: Abknien zuerst mit dem linken Bein, dann mit dem rechten, Zehen sind aufgestellt und werden erst vor dem Absitzen abgelegt, die Hände liegen auf den Oberschenkeln oder werden wie in der klassischen Zen-Meditationshaltung ineinander gelegt.

  • Mokuzo: Der Ju-Jutsuka verharrt in völliger Bewegungslosigkeit und versucht seine Gedanken abzuschneiden. Dies geschieht entweder durch Konzentration auf den Atem oder das Zählen der Atemzüge.

  • (Mokuzo-)Jame: Die Meditation wird aufgelöst und die Hände werden aus der Meditationsstellung auf die Oberschenkel gelegt.

  • Rei: Lehrer und Schüler verneigen sich zueinander, die Hände werden im Dreieck auf die Matte gelegt und leicht mit der Stirn berührt, dies schließt den individuellen, in sich selbst gerichteten Prozess ab.

  • Aufstehen: Zuerst erhebt sich der Lehrer, dann die Schüler: Aufrichten in den Kniestand, Zehen aufstellen, mit Drehung rechts aufstehen.

  • Rei: Lehrer und Schüler verneigen sich zueinander, die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt, die Beine sind geschlossen.

  • Kommandos: Werden vom Lehrer oder dem ranghöchsten Schüler erteilt.

Verneigen zum Lehrer: »Sensei ni rei«

  • Augen werden abgesenkt (Hintergrund: vom Lehrer geht niemals eine Gefahr aus).

  • Die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt.

  • Das Verneigen geschieht in respektvoller Achtung.

Verneigen zum Partner: »Otogai ni rei«

  • Blickkontakt wird aufrechterhalten (Hintergrund: der Partner ist imaginärer Gegner).

  • Die Hände werden auf die Oberschenkel gelegt.

  • Das Verneigen soll Respekt und Achtung vor dem Partner zum Ausdruck bringen.

Verhalten auf der Matte

  • Der Ju-Jutsuka trainiert immer ruhig, konzentriert, respektvoll und achtsam.

  • Eine ordentliche Haltung (Stand, Fersensitz oder Schneidersitz) auf der Matte ist selbstverständlich.

  • Höher Graduierte sind stets für niedriger Graduierte verantwortlich.

  • Die Sicherheit und Unversehrtheit des Partners hat stets Vorrang.

  • Bei Würfen ist auf Sicherung des zu Werfenden aber auch auf Eigensicherung zu achten.

  • Bei Hebeln und Würgern ist rechtzeitig mit der Hand am Partner oder gut hörbar mit dem Fuß abzuklopfen. Wenn dies nicht möglich ist, kann auch ein gut vernehmbares »Stopp« gesagt werden.

  • Die Trainingspartner und Wettkampfgegner werden mit Respekt behandelt. Es wird stets fair trainiert oder gekämpft ohne unsportliche Techniken oder Hintergedanken.

  • Der Ju-Jutsuka wahrt immer seine Selbstbeherrschung. Er tritt bescheiden auf und ist durch sein Verhalten für andere ein Vorbild.

  • Während dem Training sind Gespräche möglichst zu unterlassen. Um sich zu verständigen genügen leise und kurze Erklärungen. Muss der Ju-Jutsuka die Matte oder das Dojo verlassen, so hat er sich beim jeweiligen Lehrer abzumelden.

  • Vor und nach Trainings- oder Lehrgangspausen nehmen Lehrer und Schüler Aufstellung zueinander ein und grüßen im Stand mit Rei.

Verlassen der Matte oder des Dojos

  • Das Dojo wird stets nur in sauberem und aufgeräumtem Zustand verlassen.

  • Vor dem Verlassen verneigt man sich in Richtung der Mattenfläche, der Blick ist zum Boden gerichtet, Hände liegen auf den Oberschenkeln.

  • Die Matte wird zuerst mit dem rechten Fuß verlassen.

Budo ist mehr als Sport!

Es ist ein Weg der Selbtvervollkommnung. Das schließt neben der körperlichen auch die geistige und charakterliche Vervollkommnung mit ein. Budokas zeichnen sich aus durch Selbstdisziplin und Willensstärke, verbunden mit Höflichkeit und Bescheidenheit.

Quelle: Ju-Jutsu 1×1 (Ausgabe 2012) | Deutscher Ju-Jutsu Verband e.V.

Gürtelfarben

Welche Farbe steht für welche Graduierung?

Wie in vielen anderen Kampfsportarten auch, gibt es im Ju-Jutsu verschiedene Gürtelfarben, die symbolisieren, welchen Grad an Erfahrung und welches Technikrepertoire ein Ju-Jutsuka bereits erworben hat. Um eine Graduierung zu erreichen muss in der Regel eine Gürtelprüfung abgelegt werden, bei der verschiedene Techniken abgefragt werden.

Schülergrade

6. Kyu – Weißer Gürtel (Dieser Gürtel wird von jedem Ju-Jutsu-Anfänger getragen und bedarf keiner Prüfung)
5. Kyu – Gelber Gürtel
4. Kyu – Orangefarbener Gürtel
3. Kyu – Grüner Gürtel
2. Kyu – Blauer Gürtel
1. Kyu – Brauner Gürtel

Im Kinder- und Jugendbereich ist es auch üblich, dass Halb-Farben gemacht werden (zum Beispiel weiß-gelber Gürtel).

Meistergrade

1.–5. Dan – Schwarzer Gürtel
6.–8. Dan – Rot-weißer oder rot-schwarzer oder schwarzer Gürtel
9.–10. Dan – Roter Gürtel

Graduierungen können auch ohne Prüfung zum Beispiel als Dank für wertvolle Arbeit im Verband verliehen werden. Ausgenommen davon ist der 1. Dan – für diesen muss immer eine Prüfung abgelegt werden. Alle Dan-Graduierungen über dem 5. Dan werden ausschließlich an verdienstvolle Funktionsträger verliehen und können nicht durch eine Prüfung erworben werden.